Training in China von Brigitte Ott-Göbel

 

„Der, der eine Frage stellt, ist für fünf Minuten ein Dummkopf.
Der, der nicht fragt, bleibt für immer einer.“ (Chinesische Weisheit)

 

  

Chinesische Teilnehmer zu trainieren, muss die reinste Freude sein, sollte man denken. Mit Mitarbeitern zu arbeiten, die Neues für sich entdecken, mag gleichermaßen spannend erscheinen. Der Bildungshunger der Chinesen und die sprichwörtliche Lust am Lernen sind allgemein bekannt. In der Aus- und Weiterbildung, in Trainings mit chinesischen Teilnehmern sind jedenfalls einige Besonderheiten zu beachten. In der Beantwortung folgender Fragen auch durch erfahrene Trainingsexperten werden die wesentlichsten Punkte erklärt:

 

  • Welche Methoden der Stoffvermittlung erweisen sich als geeignet, welche sind weniger kulturkompatibel?

  • Wie geht man mit dem Phänomen um, dass sich Einzelne nicht gerne aus der Masse hervorheben?

  • Wie erreicht man in einer Kultur der indirekten Kommunikation und des Konzepts „Gesicht wahren“, dass Teilnehmer sich gegenseitig vor der Gruppe Feedback geben?

Ich habe mehrere in China tätige Trainingsexperten befragt, welche Erfahrungen sie mit interaktiven Trainingsmethoden gemacht haben. Unter anderem habe ich mit Claudia Schmitz gesprochen. Sie arbeitet als Facilitator für globale Unternehmen und bringt Managern in vielen Ländern unternehmerisches Denken und Handeln bei.

 

 

Ich frage sie nach den Hauptunterschieden zwischen chinesischen und deutschen Teilnehmern und sie berichtet: „Die deutschen Teilnehmer haben oft die Einstellung: ‚Das kennen wir sowieso schon alles‘. Oder sie sagen: ‚Bei uns ist das sowieso alles anders‘. Das machen Chinesen nie. Die hören gut zu beim Briefing und stellen dann jede Menge intelligente Fragen. Ich habe öfters erlebt bei chinesischen Gruppen, dass sie mir Fragen gestellt haben, die mich Gruppen von Europäern noch nie gefragt haben. Während die Deutschen schnell fertig sein oder unbedingt gewinnen wollen, nutzen die Chinesen einfach die Chance des Spiels, um sich richtig tief reinzudenken.“ Nachgefragt, welche Erklärung sie für diesen anderen Lernansatz hat, beschreibt Claudia Schmitz die unterschiedliche Einstellung näher: „Erstens gehen sie davon aus, dass man immer lernen kann. Dazu kommt der Respekt vor dem Redner, man ist sich darüber im Klaren, der weiß viel, da fragen wir auch vertieft nach.“ 

 

Über zielführende Methoden der Stoffvermittlung habe ich auch mit Katrin Koch gesprochen, die bis vor kurzem als Geschäftsführerin eines weltweit tätigen deutschen Trainingsanbieters in Peking arbeitete. Ihr Unternehmen entwickelt Trainingsprogramme für Führungskräfte und Mitarbeiter internationaler Unternehmen. Gerade in Führungskräfte –Trainings wird hierzulande oft mit interaktiven Methoden wie Rollenspielen und offenem Feedback gearbeitet.  

 

Ich will von ihr wissen, welche Methoden gut funktionieren und was man nicht so gut anwenden kann. Ihre Antwort: „Alles, was interaktiv verspielt ist, auch Rollenspiele, funktioniert gut. Es gibt anfänglich eine gewisse Barriere. Die Teilnehmer sind reserviert gegenüber der Methode, aber wenn man die Methode gut einführt und es dann ausprobiert, machen alle super mit. Das Thema Feedback ist schwierig. Sich gegenseitig Feedback geben zu lassen, muss man wirklich eintrainieren, um die Angst vor dem Gesichtsverlust zu nehmen. Wenn man das nicht vorher trainiert hat, geht es schief. Dann kommt nur lauwarmes Blabla, die Themen kommen nicht auf den Tisch und dann ist es eigentlich wertlos.“

 

Dies entspricht auch meiner Erfahrung. Kritisches Feedback wird in der Regel nicht offen ausgesprochen, sondern auf anderem Wege übermittelt. Sei es, dass die Botschaft über einen Dritten, möglicherweise in der Firmenhierarchie höher angesiedelt, kommuniziert wird. Sei es, dass gar kein Feedback geäußert wird und nur beispielsweise keine weitere Beauftragung erfolgt. Man kann dann lange nach Gründen forschen und versuchen, über einen internationalen Gesprächspartner im Unternehmen eine Rückmeldung zu bekommen.

 

Ich frage den Akademieleiter eines großen deutschen Automobilherstellers, Volker Schulze-Permentier, wie er Kreativität und Problemlösungsfähigkeit bei seinen Mitarbeitern in der Trainingsakademie wahrgenommen hat. Seiner Meinung nach ist das ein schwieriges Thema. „Kreativität gehört bei den Kollegen eher in den privaten Bereich. Sie können unglaublich viel Spaß haben beim Bauen, Schminken, Verkleiden, da sind sie überall schnell dabei und sehr begeisterungsfähig. Aber es gehört nicht in den geschäftlichen Kontext. Da ist man ein guter Trainer oder eine zuverlässige Mitarbeiterin in der Seminarorganisation. Man ist der Auffassung: Ich arbeite hart für ein Ziel. Ich lerne etwas, dann beweise ich, dass ich es kann. Und da bin ich gut. Super Note, super Studienabschluss. Mir hat nie einer gesagt, du bist toll, weil du etwas Außerordentliches gemacht hast.“ Aber wie hat er trotzdem versucht, Kreativität in die Mannschaft hineinzubekommen, denn in einem Trainingsbereich ist dies notwendig? „Durch Vorleben.“ Und wie reagieren die Chinesen dann? „Zuerst belustigt, aber dann sagen sie sich: Wenn die Anderen Spaß haben, dann können wir das auch. Vor allem beim Verkaufstraining haben wir das praktiziert. Ich habe aus diesem Grund die Teamleitung dafür mit einem deutschen Expat besetzt. Das hat auch gut funktioniert, nach drei Jahren hatten die Kollegen das internalisiert. Wenn es funktioniert, können Chinesen deutlich kreativer sein als Deutsche. Weil sie während der Kreativphase keinerlei Überprüfung der Realität machen. Bei Deutschen findet schnell ein Abgleich statt: ‚Das hatten wir schon, das funktioniert eh nicht‘ … das machen die Chinesen nicht.“

 

Die Erfahrungen der befragten Trainingsexperten sowie meine eigenen lassen sich wie folgt zusammenfassen. Die Beachtung dieser Punkte gewährleistet eine erfolgreiche Durchführung:

 

  • Chinesische Seminarteilnehmer sind motiviert, aufmerksam, wissbegierig und stellen gerne viele Fragen an den Seminarleiter.

  • Grundsätzlich spielt bei der Frage der Anwendbarkeit interaktiver Methoden das Alter der Teilnehmer sowie der Trainer eine große Rolle.

  • Im Westen entwickelte Trainingskonzepte müssen an die chinesische Kultur angepasst werden, möglichst unter Hinzuziehung von chinesischen Kollegen.

  • Spielerische Methoden wie Rollenspiele oder Metaplan funktionieren gut, wenn man sie präzise erklärt und sowohl die Zielsetzung als auch den Zweck begründet.

  • Kritisches Feedback an Teilnehmer vor der Gruppe sowie offenes Feedback an den Trainer vor der gesamten Gruppe sind schwierig bis unmöglich.

  • Teamentwicklungen und Strategietagungen nach westlichem Muster müssen in China angepasst werden: Der Aspekt gemeinsam Spaß zu haben, ist ein wesentlicher Bestandteil. Inhalte haben demgegenüber ein geringeres Gewicht.

  • Die Moderationsfähigkeiten der Chinesen sowie ihre Fähigkeit zu Teamarbeit sind weniger entwickelt als im Westen.

 

 

Über die Autorin:

 

Brigitte Ott-Göbel

ist Diplom-Betriebswirtin mit über 25 Jahren Berufserfahrung als Managerin im internationalen Vertrieb der Automobilbranche und viel Erfahrung in Joint Venture-Projekten mit chinesischen Partnern. Seit 2009 arbeitet sie als selbständige Beraterin, Trainerin und systemischer Coach für Führungskräfte und unterrichtet an Hochschulen MBA-Studenten in Deutschland und China.

www.ott-goebel-consulting.com

 

 

 

Weiterführende Literatur:

Vom Drachen zum Panda – Führen, Lehren und Lernen im modernen China

Brigitte Ott-Göbel

188 Seiten, EUR 24,90

ISBN: 978-3-902155-21-4, 1. Auflage 2015, kt.
www.literatur-vsm.at

Chinas Gesellschaft verändert sich rasant. Die China-Expertin Brigitte Ott-Göbel beleuchtet die Wertvor­stellungen der jungen Generation in China: In einem Klima des wachsenden Wohlstands aufgewachsen, als Einzelkind verwöhnt von Eltern und Großeltern, durch Internet und soziale Medien umfassend vernetzt treten junge Chinesen im Beruf ganz anders auf als die Generationen zuvor. Sie sind clever, selbstbewusst und anspruchsvoll.

 

Welche Führungsmethoden sind geeignet in der Zusammenarbeit mit den Vertretern dieses modernen China? Welche Methoden in der Ausbildung führen zum Ziel, wie verändert sich die Lernkultur? Wie gehe ich an Beratungsaufträge heran? Diese Fragen diskutiert Brigitte Ott-Göbel mit zahlreichen westlichen und chinesischen Führungskräften und Experten und gibt Empfehlungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

 

Eine wertvolle Lektüre für alle, die beruflich mit China zu tun haben.

 

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