BGM auch im Büro!

In der Fachzeitschrift Mensch&Büro wird im Oktober ein Interview mit dem Projektleiter des Dr. Curt Haefner-Instituts Heidelberg, Markus Schropp erscheinen. Thema: Das Büro mit seinen psychischen und physischen Gefährdungspotenzialen als wichtiger Adressat eines BGM-Systems. Hier vorab zu lesen:

BGM auch im Büro

Die Gesundheitsförderung von Beschäftigten erfordert Angebote, die dem Bedarf gerecht werden. Besonders in den Büros, denn dort lauern viele unterschiedliche Belastungen. Deshalb stellen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Büro eine Herausforderung für das Gesundheitsmanagement im Unternehmen dar. Trotzdem ist das BGM für die Verantwortlichen häufig mit Frustration verbunden: Die Budgets sind weg und man kommt trotzdem nicht vom Fleck. Markus Schropp vom Dr. Curt Haefner-Institut Heidelberg erklärt, wie es richtig geht.

Die Abkürzung BGM ist in aller Munde und man mag es fast schon nicht mehr hören. Warum ist Betriebliches Gesundheitsmanagement so modern?
Schropp: Das liegt wohl daran, dass viele Unternehmer und Geschäftsführer noch nicht verstanden haben: Angesichts des demografischen Wandels, der steigenden psychischen Belastung, der zunehmenden Lebensarbeitszeit und wegen des bevorstehenden Fachkräftemangels hängt die Zukunftsfähigkeit meines Unternehmens auch vom Erfolg der Gesundheitsförderung meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Mit allen bitteren Konsequenzen, falls man den Zug verpasst.

Warum haben es so viele noch nicht verstanden?
Schropp: Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Die Gesundheit der Mitarbeiter ist zunächst ein Thema, das weiterhin oft in die Gutmenschen-Schublade gesteckt wird, ohne dass die wirtschaftlichen Potenziale betrachtet werden. Zweitens sind diese wirtschaftlichen Potenziale nur sehr schwierig und nicht eindeutig messbar, was bei der Vergabe von Budgets nicht gerade ein überzeugendes Argument ist. Und drittens hat man häufig schon erste Gehversuche in der betrieblichen Gesundheitsförderung hinter sich, ist dabei jedoch irgendwie nicht weiter gekommen und hat viel Geld sinnlos verbrannt.

Das hört und liest man oft. Aber was sind die Ursachen für diese Erfahrungen?
Schropp: Die Ursache liegt meistens darin, dass ohne ein ganzheitliches Konzept vorgegangen wurde. Bei der Implementierung eines BGM im Unternehmen sollte man einen genauen Plan haben, wen oder welche Abteilung ich wie abholen und fördern muss – und nicht mit der Gießkanne Gesundheitsmaßnahmen verteilen, die nur von denen angenommen werden, die sie eh nicht brauchen. Besonders im Büro haben wir es mit einer Fülle von unterschiedlichen Belastungen zu tun, die zum Teil ziemlich individuell bekämpft werden müssen. Immerhin geht um die strategische Zukunftssicherung des Unternehmens. In diesem Prozess müssen auch die Führungskräfte ihre Rolle finden.

Warum sind die Führungskräfte eigentlich so wichtig?
Schropp: Fragen Sie in den Personalabteilungen nach: Wenn die Führungskräfte nicht positiv mitziehen, werden wir die Mitarbeiter nie erreichen. Die Führungskräfte wirken dann entweder als Blockierer oder als negative Meinungsbildner. Beides ist nicht sehr förderlich.

In welchen Bereichen des BGM spielt das Büro eine Rolle?
Schropp: Nehmen Sie die Statistik der Krankheitsarten, die häufig zu Fehlzeiten führen: Muskel-Skelett und Herz-Kreislauf, stark zunehmend die Psyche – alle treten auch im Büro auf und lassen sich dort ebenso vermeiden oder wenigstens reduzieren. Mit modernem Gesundheitsmanagement, das auch gesundheitsorientierte Führung und eine ergonomische, der entsprechenden Arbeitsaufgabe angemessene Büroeinrichtung und Büroausstattung sowie eine Bewegung fördernde Innenarchitektur beinhaltet. Eine genaue Analyse im Vorfeld ist zwar aufwändig, wird sich aber früher oder später auszahlen.

Wie sieht eine solche Analyse konkret aus?
Schropp: Allein die Daten des Unternehmens auszuwerten, wird in der Regel kein geeignetes Bedarfsportfolio ergeben. Unser Institut bietet daher an, mit vier parallelen Methoden zu arbeiten: Neben der Analyse von Unternehmensdaten wie Gefährdungsbeurteilung und Unfallstatistik, Fehlzeitenstatistik oder Altersstruktur bieten wir optional ein medizinisches Check-up-Programm an. Darüber hinaus führen wir eine Arbeitssituationsanalyse mithilfe einer Online-Befragung durch, in der wir die subjektive Gesundheitsbelastung, individuelle psychische Belastungsfaktoren oder das persönliche Präventionsverhalten erfassen und gegenüberstellen. Zuletzt definieren wir weitere Risikopotenziale, die sich aus einzelnen Interviews, Workshops und eigenen Beobachtungen ergeben: Die Ernährungssituation im Unternehmen oder die Ermittlung von externen Stressfaktoren für die Beschäftigten, wie zum Beispiel die Pflege Angehöriger.

Da kommt ja einiges zusammen. Gesundheitsmaßnahmen selbst sind schließlich ebenfalls nicht billig, trotz der Förderung durch den Staat. Und als Basis hochwertige und ergonomisch perfekte Büromöbel. Wie lässt sich das alles für ein mittleres Unternehmen stemmen?
Schropp: Man kann den gesamten Prozess auf die Größe des Unternehmens und die Anzahl der unterschiedlichen Arbeitssituationen anpassen oder für den Einstieg eine homogene Pilotgruppe auswählen. Außerdem bleibt der Investitionsverlauf insgesamt eben: Was ich am Anfang in vernünftige Implementierung und Analyse stecke, muss ich später nicht für Korrekturen oder Neuanfänge ausgeben und kann sicher sein, dass das Geld für die Maßnahmen gut angelegt ist.

Welche Fördermaßnahmen sind typisch fürs Büro?
Schropp: Da gibt es mehrere Kategorien, die jede für sich Teile des Großen und Ganzen sind: Zunächst die Sorge um die Rahmenbedingungen, etwa die Büroausstattung selbst und die Motivation durch den Vorgesetzten, diese zu nutzen. Denn was bringt der Steh-Sitz-Arbeitsplatz, wenn einen niemand ab und zu darauf hinweist, dass es sinnvoll wäre, die Platte hin und wieder nach oben zu fahren?

... und wie weit oben das richtige Oben ist ...
Schropp: Genau: Gutes BGM heißt auch, immer dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten ihre Büromöbel korrekt bedienen können. Ein wichtiges Argument für einen umfangreichen After-Sales-Service des Fachhandels übrigens. Eine weitere Kategorie sind Präventionsmaßnahmen, die leider häufig unter den Überschriften Rückenschule und Fitness-Studio zusammengefasst werden. Da gibt es viel mehr und viel sinnvollere Dinge, je nach Bedarf. Drittens: Die Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für einen gesundheitsbewussten Lebensstil, was Sport, Ernährung, Suchtverhalten und so weiter anbelangt. Was natürlich nicht viel bringt, wenn es in der Kantine jeden Tag Pommes und am Automaten Bier gibt.

Womit wir wieder bei der Unternehmensleitung und den Führungskräften wären.
Schropp: So ist es. Ohne ein Bekenntnis der Unternehmensspitze zum Thema Mitarbeitergesundheit und das Mitziehen der untergeordneten Führungsebenen als Vorbilder und als Multiplikatoren kann man Gesundheitsmanagement im ganzheitlichen Sinn eh vergessen. Dann dürfen sich die Präventionsverantwortlichen nämlich schon freuen, wenn die Beschäftigten nicht auf Apfelsinenkisten sitzen müssen.

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